Psalm 22
Textbibel 1899
1Dem Musikmeister, nach "Hirschkuh der Morgenröte." Ein Psalm Davids. 2 Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen - fern von Hilfe für mich, von den Worten, die ich stöhne?

2"Mein Gott!" rufe ich tagsüber, doch du antwortest nicht, und bei Nacht, ohne daß ich Beruhigung fände.

3Und du bist doch der Heilige, der über den Lobliedern Israels thront.

4Auf dich vertrauten unsere Väter, vertrauten, und du errettetest sie.

5Zu dir schrieen sie und wurden errettet, auf dich vertrauten sie und wurden nicht zu Schanden.

6Ich aber bin ein Wurm und kein Mensch, ein Hohn der Leute und vom Volke verachtet!

7Alle, die mich sehen, spotten über mich, verziehen die Lippe, schütteln den Kopf.

8"Wälze deine Sache auf Jahwe! Er mag ihn erretten, mag ihn herausreißen; er hat ja Gefallen an ihm!"

9Ja, du bist's, der mich hervorzog aus dem Mutterschoß, an meiner Mutter Brüsten mich sorglos liegen ließ!

10Auf dich war ich geworfen von Mutterleibe an, vom Schoße meiner Mutter an bist du mein Gott.

11Sei nicht fern von mir, denn Bedrängnis ist nahe, denn es giebt keinen Helfer.

12Mich umgeben starke Farren, die Stiere Basans umzingeln mich.

13Sie sperren ihren Rachen wider mich auf, wie ein reißender und brüllender Löwe.

14Wie Wasser bin ich hingegossen, und alle meine Gebeine sind auseinandergegangen. Mein Herz ist wie zu Wachs geworden, zerflossen in meinem Innern.

15Mein Gaumen ist ausgetrocknet gleich einer Scherbe, meine Zunge angeklebt an meinen Schlund, und in den Todesstaub wirst du mich legen.

16Denn Hunde umgeben mich, eine Rotte von Bösewichtern umkreist mich, dem Löwen gleich meine Hände und Füße.

17Ich kann alle meine Gebeine zählen; sie blicken her, schauen ihre Lust an mir.

18Sie teilen meine Kleider unter sich und werfen das Los über mein Gewand.

19Du aber, Jahwe, sei nicht fern! Meine Stärke, eile mir zu Hilfe!

20Errette mich vom Schwert, aus Hundesgewalt meine Einsame!

21Hilf mir aus dem Rachen des Löwen und aus der Wildochsen Hörnern - erhörst du mich.

22Ich will deinen Namen meinen Brüdern verkünden, inmitten der Gemeinde will ich dich preisen.

23Die ihr Jahwe fürchtet, preiset ihn! Aller Same Jakobs, ehret ihn, und scheut euch vor ihm, aller Same Israels!

24Denn er hat das Elend des Elenden nicht verschmäht und nicht verachtet und sein Antlitz nicht vor ihm verborgen, und als er zu ihm schrie, hat er gehört.

25Von dir geht mein Lobpreis aus in großer Versammlung; meine Gelübde will ich bezahlen angesichts derer, die ihn fürchten.

26Elende werden essen und satt werden; preisen werden Jahwe, die ihn suchen: Euer Herz lebe auf für immer!

27Alle Enden der Erde werden's inne werden und sich zu Jahwe bekehren, und vor dir sich niederwerfen alle Geschlechter der Heiden.

28Denn Jahwe gehört das Königtum, und er herrscht über die Heiden.

29Nur vor ihm werden sich niederwerfen alle Fetten der Erde, vor ihm sich beugen alle, die in den Staub hinabfahren. Und wer seine Seele nicht am Leben erhielt,

30dessen Same wird ihm dienen. Man wird erzählen vom Herrn dem kommenden Geschlecht

31und verkündigen wird man von seiner Gerechtigkeit dem Volke, das geboren werden soll, daß er es ausgeführt!

Textbibel des Alten und Neuen Testaments, Emil Kautzsch, Karl Heinrich Weizäcker - 1899

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