Textbibel 1899 1Mein Sohn, behalte meine Reden und verwahre meine Gebote bei dir. 2Behalte meine Gebote, so wirst du leben, und meine Weisung wie deinen Augapfel. 3Binde sie an deine Finger, schreibe sie auf die Tafel deines Herzens. 4Sprich zur Weisheit: Meine Schwester bist du! und nenne Einsicht "Vertraute", 5daß du vor dem fremden Weibe bewahrt werdest, vor der Auswärtigen, die einschmeichelnd redet. 6Durch das Fenster nämlich meines Hauses, durch mein Gitter schaute ich aus. 7Da sah ich unter den unerfahrenen, bemerkte unter den jungen Leuten einen unsinnigen Jüngling. 8Der ging auf der Gasse, nahe einer Ecke, und schritt in der Richtung nach ihrem Hause einher. 9In der Dämmerung am Abende des Tags, in schwarzer Nacht und Dunkelheit. 10Da auf einmal tritt ihm ein Weib entgegen im Huren-Anzug und mit heimtückischem Sinne - 11leidenschaftlich ist sie und unbändig; ihre Füße können nicht im Hause bleiben. 12Bald ist sie auf der Straße, bald auf den Plätzen und lauert neben jeder Ecke - 13nun hat sie ihn gefaßt und geküßt; mit frecher Miene sprach sie zu ihm: 14Heilsopfer lagen mir ob; heute habe ich meine Gelübde bezahlt. 15Darum bin ich herausgegangen, dir entgegen, um nach dir zu suchen, und habe dich nun gefunden. 16Mit Decken habe ich mein Bette bedeckt, mit buntgestreiften Teppichen von ägyptischem Garn. 17Ich habe mein Lager besprengt mit Balsam, Aloë und Zimmet. 18Komm, wir wollen uns in Liebe berauschen bis zum Morgen, wollen schwelgen in Liebeslust. 19Denn der Mann ist nicht daheim; er hat eine Reise in die Ferne angetreten. 20Den Geldbeutel hat er mit sich genommen; erst am Vollmondstage kehrt er wieder heim! 21Durch ihr eifriges Zureden verführte sie ihn, riß ihn fort durch ihre glatten Lippen. 22Er folgt ihr plötzlich nach wie ein Stier, der zur Schlachtbank geführt wird, und wie ein Hirsch, der ins Netz rennt, 23bis ihm der Pfeil die Leber spaltet; wie ein Vogel zur Schlinge eilt und weiß nicht, daß es sein Leben gilt. 24Nun denn, ihr Söhne, gehorcht mir und merkt auf die Reden meines Mundes. 25Laß dein Herz nicht abbiegen zu ihren Wegen, verirre dich nicht auf ihre Steige. 26Denn viel sind der Erschlagenen, die sie gefällt hat, und zahlreich sind, die sie alle gemordet hat. 27Voller Wege zur Unterwelt ist ihr Haus, die hinabführen zu des Todes Kammern. Textbibel des Alten und Neuen Testaments, Emil Kautzsch, Karl Heinrich Weizäcker - 1899 Bible Hub |