Textbibel 1899 1Nun frage ich: hat Gott sein Volk verstoßen? Nimmermehr. Bin ich doch selbst ein Israelite aus Abrahams Samen und Benjamins Stamm.
2Gott hat sein Volk nicht verstoßen, das er zuvorversehen. Oder wisset ihr nicht, was die Schrift durch Elias sagt, wie er sich zu Gott wendet wider Israel mit den Worten:
3Herr, sie haben deine Propheten getötet, sie haben deine Altäre zerstört, und ich bin allein noch übrig; und nun trachten sie mir nach dem Leben?
4Doch was ward ihm da für ein Spruch? Ich habe mir erhalten 7000 Mann, die kein Knie dem Baalgreuel gebeugt haben.
5So ist denn auch jetzt ein Rest da nach der Wahl der Gnade.
6Ist es aber durch Gnade, so kommt es nicht mehr von Werken, da wäre ja die Gnade nicht mehr Gnade. 7Wie also? Was Israel sucht, das hat es nicht erlangt; die Auserwählten wohl haben es erlangt, die andern wurden verstockt. 8Wie geschrieben steht: Gott hat ihnen einen Geist der Betäubung gegeben, Augen zum Nichtsehen, Ohren zum Nichthören, bis zum heutigen Tage. 9Und David sagt: Ihr Tisch werde ihnen zur Schlinge und zur Fangstatt, zum Anstoß und zur Vergeltung. 10Verfinstern sollen sich ihre Augen zum Nichtsehen, und man soll ihnen den Rücken beugen für immer. 11Nun sage ich: war das der Zweck ihres Anstoßes, daß sie fallen sollten? Nimmermehr. Sondern durch ihren Fehltritt kommt das Heil zu den Heiden, das soll sie selbst eifersüchtig machen. 12Wenn aber ihr Fehltritt die Welt reich macht, wenn ihr Zurückbleiben die Heiden reich macht, wie viel mehr dann ihr volles Eingehen. 13Euch Heiden aber sage ich: gerade insofern ich Heidenapostel bin, achte ich umsomehr meinen Dienst für herrlich, 14wenn ich die von meinem Fleisch könnte eifersüchtig machen und einige von ihnen retten. 15Schlägt ihre Verwerfung aus zur Versöhnung der Welt: was kann mit ihrer Annahme kommen, als Leben aus den Toten? 16Ist doch der Anbruch heilig: so ist es auch der Teig. Ist es die Wurzel, so sind es auch die Zweige. 17Wenn aber einige der Zweige ausgebrochen wurden, und du, der du vom wilden Oelbaum warst, bist darauf eingepfropft worden und hast Teil bekommen an der Wurzel der Fettigkeit des Oelbaums, 18so überhebe dich nicht gegen die Zweige. Ueberhebst du dich aber auch: du trägst doch nicht die Wurzel, sondern die Wurzel trägt dich. 19Du kannst darauf erwidern: die Zweige sind ja ausgebrochen worden, damit ich eingepfropft werde. 20Gut! Sie sind ausgebrochen durch den Unglauben: du aber stehst, wo du bist, durch den Glauben. Versteige dich nicht in Hoffart, sondern bedenke es mit Furcht. 21Hat Gott die natürlichen Zweige nicht verschont, so wird er auch dich nicht verschonen. 22So sieh denn die Güte und die Strenge Gottes. Die Strenge an denen, die gefallen sind; die Güte Gottes an dir, wenn du in der Güte bleibst; sonst wirst auch du ausgeschnitten werden. 23Auch jene aber, wenn sie nicht beharren im Unglauben, werden eingepfropft werden. Gott vermag auch sie wieder einzupfropfen. 24Wenn du aus dem von Natur wilden Oelbaum ausgeschnitten und gegen die Natur auf den edlen gepfropft wurdest, wie viel eher werden diese, deren Natur es entspricht, auf ihren ursprünglichen Baum gepfropft werden! 25Ich will euch, meine Brüder, dieses Geheimnis nicht vorenthalten, damit ihr euch nicht auf eure Gedanken verlasset, nämlich: Verstockung ist zu einem Teil über Israel gekommen bis dahin, daß die Fülle der Heiden wird eingegangen sein; 26und alsdann wird ganz Israel gerettet werden, wie geschrieben steht: Aus Sion kommt der Erlöser, abwenden wird er die Gottlosigkeit von Jakob; 27und das ist ihr Bund von mir aus: wann ich wegnehmen werde ihre Sünden. 28So sind sie dem Gang des Evangeliums nach zwar Feinde um euretwillen, der Erwählung nach aber Lieblinge um der Väter willen. 29Denn unwiderruflich sind die Gnadengaben und die Berufung Gottes. 30So wie ihr einst Gott nicht gehorchtet, jetzt aber Erbarmen erlangt habt durch ihren Ungehorsam, 31so sind auch sie jetzt ungehorsam geworden, damit sie durch das Erbarmen, das ihr gefunden habt, nun auch ihrerseits zum Erbarmen gelangen. 32Gott hat alle beschlossen unter den Ungehorsam, auf daß er sich aller erbarme. 33O die Tiefe des Reichtums und der Weisheit und der Erkenntnis Gottes! Wie unerforschlich sind seine Gerichte und unergründlich seine Wege! 34Denn wer hat des Herrn Sinn erkannt? oder wer ist sein Ratgeber gewesen? 35Oder wer hat ihm etwas zuvor gegeben, das ihm werde wieder vergolten? 36Denn von ihm und durch ihn und zu ihm sind alle Dinge; sein ist die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen. Textbibel des Alten und Neuen Testaments, Emil Kautzsch, Karl Heinrich Weizäcker - 1899 Bible Hub |