Textbibel 1899 1Da kam ihm zu Ohren, welche Reden die Söhne Labans führten: Jakob hat alles an sich gebracht, was unserem Vater gehörte, und von dem, was unserem Vater gehörte, hat er all diesen Reichtum zuwege gebracht.
2Und Jakob achtete auf die Mienen Labans; der aber bezeigte sich nicht mehr gegen ihn, wie früher.
3Da sprach Jahwe zu Jakob: Kehre zurück in das Land deiner Väter und zu deiner Verwandtschaft, so will ich mit dir sein.
4Da sandte Jakob hin und ließ Rahel und Lea rufen auf das Feld zu seiner Herde.
5Da sprach er zu ihnen: Ich sehe wohl, daß mir euer Vater nicht mehr dasselbe Gesicht zeigt, wie früher; aber der Gott meines Vaters war mit mir.
6Ihr wißt, daß ich aus allen meinen Kräften eurem Vater gedient habe.
7Euer Vater aber hat mich betrogen und mir den Lohn zehnmal abgeändert; aber Gott ließ nicht zu, daß er mir Schaden zufügte.
8Wenn er sprach: die gesprenkelten sollen dein Lohn sein, so warf die ganze Herde gesprenkelte, sprach er dagegen: die gestreiften sollen dein Lohn sein, so warf die ganze Herde gestreifte.
9Und so entzog Gott eurem Vater das Vieh und gab es mir.
10Zu der Zeit aber, wo die Schafe brünstig wurden, da sah ich deutlich im Traum, wie die Böcke, die die Schafe besprangen, gestreift, gesprenkelt und gescheckt waren.
11Und der Engel Gottes sprach zu mir im Traum: Jakob! Ich antwortete: Hier bin ich!
12Da sagte er: Sieh einmal, wie alle Böcke, die die Schafe bespringen, gestreift, gesprenkelt und gescheckt sind. Denn ich habe alles gesehen, was Laban dir anthut.
13Ich bin der Gott von Bethel, woselbst du einen Malstein gesalbt, woselbst du mir ein Gelübde gethan hast. So mache dich nun auf, ziehe aus diesem Lande und kehre zurück in dein Heimatland.
14Da erwiderten Rahel und Lea und sprachen zu ihm: Haben wir etwa noch Teil und Erbe im Hause unseres Vaters?
15Gelten wir ihm nicht als Fremde, nachdem er uns verkauft und das Geld, das er für uns bekam, längst verzehrt hat?
16Denn all der Reichtum, den Gott unserem Vater entzogen hat, gehört uns und unseren Kindern. So thue du nur ganz, wie Gott zu dir gesagt hat! 17Da setzte Jakob seine Kinder und seine Weiber auf die Kamele; 18sodann führte er all sein Vieh hinweg und alle seine Habe, die er erworben hatte, das Vieh, das er besaß, welches er in Mesopotamien erworben hatte, um sich zu seinem Vater Isaak ins Land Kanaan zu begeben. 19Während aber Laban hingegangen war, seine Schafe zu scheren, stahl Rahel den Teraphim ihres Vaters. 20Und Jakob überlistete Laban, den Aramäer, weil er ihm verheimlichte, daß er fliehen wolle. 21Also entfloh er mit allem, was ihm gehörte; und er brach auf, setzte über den Strom und schlug die Richtung nach dem Gebirge Gilead ein. 22Am dritten Tage wurde dem Laban hinterbracht, daß Jakob entflohen sei. 23Da nahm er seine Stammesgenossen mit sich, verfolgte ihn sieben Tagereisen weit und ereilte ihn auf dem Gebirge Gilead. 24Gott aber kam des Nachts im Traum zu Laban, dem Aramäer, und sprach zu ihm: Hüte dich, Jakob ein böses Wort zu sagen! 25Da erreichte Laban den Jakob; Jakob aber hatte sein Zelt auf dem Gebirge aufgeschlagen, während Laban mit seinen Stammesgenossen sein Zelt auf dem Gebirge Gilead aufgeschlagen hatte. 26Da sprach Laban zu Jakob: Was soll das heißen, daß du mich überlisten wolltest und führtest meine Töchter fort wie Kriegsgefangene? 27Warum bist du heimlich geflohen und täuschtest mich und hast es mich nicht wissen lassen, daß ich dir hätte das Geleite geben können mit Jauchzen und Gesängen, mit Pauken und Harfen, 28und hast mich meine Enkel und Töchter nicht küssen lassen? Ja, du hast thöricht gehandelt! 29Ich hätte es wohl in der Gewalt, schlimm mit euch zu verfahren; aber der Gott deines Vaters hat in der vergangenen Nacht zu mir gesagt: Hüte dich, Jakob ein böses Wort zu sagen! 30Aber mag es sein, du bist nun einmal fortgegangen, weil du dich gar so sehr nach deiner Heimat sehntest - warum hast du meinen Gott gestohlen? 31Da antwortete Jakob und sprach zu Laban: Ja, ich fürchtete mich; denn ich dachte, du könntest mir deine Töchter entreißen. 32Derjenige, bei dem du deinen Gott findest, der soll nicht am Leben bleiben! Im Beisein unserer Stammesgenossen untersuche, was ich bei mir habe, und nimm dir. Jakob aber wußte nichts davon, daß Rahel ihn gestohlen hatte. 33Da ging Laban in das Zelt Jakobs und das Zelt Leas und in das Zelt der beiden Leibmägde und fand nichts; dann verließ er das Zelt Leas und trat in das Zelt Rahels. 34Rahel aber hatte den Teraphim genommen, in die Kamelsänfte gelegt und sich darauf gesetzt. Und Laban durchstöberte das ganze Zelt, fand aber nichts. 35Da sprach sie zu ihrem Vater: O Herr, sei nicht böse, wenn ich vor dir nicht aufstehen kann; es ergeht mir, wie es den Frauen ergeht! Und er suchte und suchte, fand aber den Teraphim nicht. 36Jakob aber wurde zornig und schalt Laban. Und Jakob hob an und sprach zu Laban: Was habe ich verschuldet, was habe ich gefehlt, daß du mir so hitzig nachgesetzt bist? 37Du hast nun meinen ganzen Hausrat durchstöbert - hast du irgend etwas von deinem Hausgerät gefunden? Lege es hierher vor meine und deine Stammesgenossen, damit sie entscheiden, wer von uns beiden recht hat. 38Zwanzig Jahre sind es nun, daß ich bei dir bin; deine Mutterschafe und deine Ziegen haben nie eine Fehlgeburt gethan, und Widder aus deiner Herde habe ich nicht gegessen. 39Was zerrissen ward, habe ich dir nicht gebracht - ich selbst mußte es ersetzen; von mir fordertest du es, mochte es bei Tage oder bei Nacht geraubt sein. 40Bei Tage verging ich vor Hitze und des Nachts vor Frost, und kein Schlaf kam in meine Augen. 41Volle zwanzig Jahre habe ich dir in deinem Hause gedient: vierzehn Jahre um deine beiden Töchter und sechs Jahre um Schafe von dir; aber zehnmal ändertest du meinen Lohn! 42Wenn nicht der Gott meines Ahnherrn, der Gott Abrahams, er, den auch Isaak fürchtet, für mich gewesen wäre, - ja dann hättest du mich mit leeren Händen ziehen lassen! Wie ich geplagt war und mich abgearbeitet habe, hat Gott gesehen und darnach in vergangener Nacht entschieden. 43Da antwortete Laban und sprach zu Jakob: Mein sind die Frauen und mein sind die Kinder und mein ist das Vieh, und alles, was du erblickst, das ist mein. Aber was kann ich nun machen gegenüber diesen meinen Töchtern oder den Kindern, die sie geboren haben? 44Aber wohlan, laß uns einen Vertrag miteinander schließen; der soll dann Zeuge sein zwischen mir und dir. 45Hierauf nahm Jakob einen Stein und richtete ihn auf als Malstein. 46Da sprach Jakob zu seinen Stammesgenossen: Lest Steine auf! Da lasen sie Steine auf und errichteten einen Steinhaufen; dann hielten sie dort auf dem Steinhaufen das Mahl. 47Und Laban nannte ihn Jegar Sahadutha; Jakob aber nannte ihn Galed. 48Da sprach Laban: Dieser Steinhaufe ist nunmehr Zeuge zwischen mir und dir - deshalb nannte er ihn Galed - 49und die Warte, indem er sprach: Jahwe möge Wache halten zwischen mir und dir, wenn wir einander ferngerückt sind. 50Wenn du etwa meine Töchter schlecht behandeln oder noch mehr Weiber zu meinen Töchtern hinzunehmen wolltest - wenn dann niemand bei uns ist: bedenke wohl, Gott ist Zeuge zwischen mir und dir! 51Da sprach Laban zu Jakob: Wohlan, dieser Steinhaufe und der Malstein, den ich aufgerichtet habe zwischen mir und dir - 52Zeuge soll sein dieser Steinhaufe und Zeuge soll sein der Malstein; weder ich darf über diesen Steinhaufen hinausgehen zu dir hinüber, noch darfst du über diesen Steinhaufen und diesen Malstein in böser Absicht hinausgehen zu mir herüber. 53Der Gott Abrahams und der Gott Nahors sei Richter zwischen uns, der Gott ihres Vaters. Jakob aber schwur bei dem, den sein Vater Isaak fürchtete. 54Hierauf schlachtete Jakob Opfertiere auf dem Berge und lud seine Stammesgenossen ein, das Mahl zu halten. Da hielten sie das Mahl und übernachteten auf dem Berge. 55Am andern Morgen früh aber küßte Laban seine Enkel und seine Töchter und nahm Abschied von ihnen. Sodann brach Laban auf und kehrte zurück an seinen Wohnsitz. Textbibel des Alten und Neuen Testaments, Emil Kautzsch, Karl Heinrich Weizäcker - 1899 Bible Hub |