Textbibel 1899 1Als nun Jakob vernahm, daß es in Ägypten Getreide gebe, da sprach Jakob zu seinen Söhnen: Was zaudert ihr?
2Da sprach er: Ich höre mit Bestimmtheit, daß es in Ägypten Getreide giebt. Zieht hin und holt uns von dort Getreide, damit wir am Leben bleiben und nicht sterben.
3Da zogen zehn von den Brüdern Josephs hin, um Getreide aus Ägypten zu holen.
4Benjamin aber, den Bruder Josephs, ließ Jakob nicht mit seinen Brüdern ziehen; denn er trug Sorge, es könne ihm ein Unfall zustoßen.
5Da kamen unter denen, die hinströmten, auch die Söhne Israels hin, um Getreide zu kaufen; denn in Kanaan herrschte Hungersnot. 6Und Joseph, der da Machthaber war im Lande, der verkaufte aller Welt Getreide. Als nun die Brüder Josephs hereinkamen und sich bis auf den Boden vor ihm verneigten, 7da erkannte Joseph seine Brüder, sobald er ihrer ansichtig wurde. Aber er stellte sich fremd gegen sie und er ließ sie hart an und fragte sie: Woher kommt ihr? Sie antworteten: Aus Kanaan, um Getreide zu kaufen. 8Und Joseph erkannte seine Brüder; sie aber erkannten ihn nicht. 9Da mußte Joseph an die Träume denken, die er in Bezug auf sie gehabt hatte. Und er sprach zu ihnen: Ihr seid Spione! Ihr seid nur hergekommen, um zu erspähen, wo das Land eine schwache Stelle hat. 10Sie antworteten ihm: O nein, Herr! Deine Sklaven sind vielmehr hergekommen, um Mundvorrat zu kaufen. 11Wir sind alle Söhne eines Mannes, wir sind ehrliche Leute; deine Sklaven sind keine Spione! 12Er erwiderte ihnen: Nichts da! Ihr seid hergekommen, um zu erspähen, wo das Land eine schwache Stelle hat. 13Sie antworteten: Unser zwölf sind deine Sklaven, lauter Brüder, Söhne eines Mannes in Kanaan; der Jüngste ist gegenwärtig noch bei unserem Vater, und einer ist verschwunden. 14Da sprach Joseph zu ihnen: Es ist so, wie ich euch gesagt habe: Spione seid ihr! 15Damit sollt ihr euch ausweisen: so wahr der Pharao lebt, ihr sollt nicht eher von hier wegziehen, bis euer jüngster Bruder hierher gekommen ist. 16Schickt einen von euch hin, daß er euren Bruder hole; ihr aber müßt gefangen bleiben. So sollen eure Aussagen geprüft werden, ob ihr mit der Wahrheit umgeht oder nicht. So wahr der Pharao lebt - ihr seid doch Spione! 17Hierauf ließ er sie drei Tage in Gewahrsam legen. 18Am dritten Tag aber sprach Joseph zu ihnen: Folgendes müßt ihr thun, um am Leben zu bleiben - denn ich bin ein gottesfürchtiger Mann. 19Wenn ihr ehrliche Leute seid, so mag einer von euch Brüdern als Gefangener zurückbleiben, da wo ihr in Gewahrsam lagt; ihr andern aber zieht hin und schafft das Getreide hin, dessen ihr für eure Familien bedürft. 20Euren jüngsten Bruder aber müßt ihr mir herbringen; so werden sich eure Aussagen bewahrheiten, und ihr werdet dem Tode entgehen. Und sie thaten also. 21Da sprachen sie einer zum andern: Wahrlich, das haben wir an unserem Bruder verschuldet; denn wir sahen seine Angst, wie er uns anflehte; aber wir blieben taub! Darum sind nun diese Ängste über uns gekommen. 22Ruben aber sprach zu ihnen: Habe ich euch nicht gesagt: versündigt euch nicht an dem Kinde! Aber ihr wolltet nicht hören - nun aber wird Rechenschaft gefordert für sein Blut! 23Sie wußten aber nicht, daß Joseph sie verstand; denn sie verkehrten durch einen Dolmetscher. 24Da wendete er sich abseits, um zu weinen, kehrte dann wieder zu ihnen zurück und redete mit ihnen; hierauf ließ er Simeon aus ihrer Mitte greifen und vor ihren Augen fesseln. 25Sodann gab Joseph Befehl, ihre Säcke mit Getreide zu füllen, dabei aber einem jeden sein Geld wieder in seinen Sack zu thun, auch ihnen Zehrung mit auf den Weg zu geben. Nachdem man sie demgemäß versorgt, 26luden sie ihr Getreide auf ihre Esel und zogen von dannen. 27Als aber einer von ihnen im Nachtquartier seinen Sack öffnete, um seinem Esel Futter zu geben, da sah er sein Geld in seinem Getreidesack obenauf liegen. 28Da berichtete er seinen Brüdern: Mein Geld ist wieder da, hier liegt es in meinem Getreidesack! Da entsank ihnen der Mut, und bebend sahen sie einander an und riefen: Was hat uns da Gott angethan! 29Als sie nun zu ihrem Vater Jakob nach Kanaan zurückgekehrt waren, berichteten sie ihm alles, was ihnen begegnet war, und sprachen: 30Er, der Herr des Landes, ließ uns hart an und beschuldigte uns, wir wollten das Land auskundschaften. 31Wir versicherten ihm zwar: Wir sind ehrliche Leute, wir sind keine Spione! 32Wir sind unser zwölf Brüder, Söhne eines Vaters. Einer ist verschwunden, und der Jüngste ist zur Zeit bei unserem Vater in Kanaan. 33Aber der Mann, der Herr des Landes, antwortete uns: Daran will ich erkennen, daß ihr ehrliche Leute seid: laßt einen von euch Brüdern bei mir zurück! Was ihr an Getreide für eure Familien bedürft, mögt ihr nehmen und abziehen. 34Aber bringt mir euren jüngsten Bruder her, damit ich erkenne, daß ihr keine Spione, daß ihr ehrliche Leute seid. Alsdann werde ich euch euren Bruder wiedergeben, und ihr könnt das Land frei durchziehen. 35Als sie aber ihre Säcke ausschütteten, fand sich das Geld eines jeden in seinem Sack. Und als sie samt ihrem Vater ihr Geld erblickten, da erschraken sie. 36Da sprach ihr Vater Jakob zu ihnen: Mich beraubt ihr der Kinder! Joseph ist verschwunden, und Simeon ist verschwunden und Benjamin wollt ihr wegnehmen - mich trifft das alles! 37Da antwortete Ruben seinem Vater: Meine beiden Söhne magst du umbringen, wenn ich dir ihn nicht zurückbringe. Vertraue mir ihn an, ich werde ihn dir zurückbringen! 38Er antwortete: Mein Sohn soll nicht mit euch reisen; denn sein Bruder ist tot, und er ist allein übrig. Wenn ihm ein Unfall zustieße auf dem Wege, den ihr ziehen müßt, so würdet ihr schuld daran sein, wenn ich mit meinem grauen Haar voller Jammer hinunter müßte in die Unterwelt. Textbibel des Alten und Neuen Testaments, Emil Kautzsch, Karl Heinrich Weizäcker - 1899 Bible Hub |