Textbibel 1899 1Hierauf gebot er seinem Hausmeister: Fülle den Männern ihre Säcke mit Getreide, soviel sie fortbringen können; lege aber einem jeden sein Geld obenauf in seinen Sack.
2Und meinen silbernen Becher legst du obenauf in den Sack des Jüngsten samt dem Geld für sein Getreide. Da that jener so, wie Joseph befohlen hatte.
3Kaum war der Morgen angebrochen, ließ man die Männer samt ihren Eseln ziehen.
4Eben hatten sie die Stadt verlassen und waren noch nicht weit gekommen, da befahl Joseph seinem Hausmeister: Auf, jage den Männern nach, und wenn du sie eingeholt hast, so sprich zu ihnen: Warum habt ihr Gutes mit Bösem vergolten? Warum habt ihr meinen silbernen Becher gestohlen?
5Ist's doch derselbe, aus dem mein Gebieter zu trinken pflegt und aus dem er wahrsagt - daran habt ihr sehr übel gethan! 6Als er sie nun eingeholt hatte, redete er solchergestalt mit ihnen. 7Sie erwiderten ihm: O Herr! warum sprichst du so? Es liegt deinen Sklaven durchaus fern, so etwas zu thun. 8Haben wir dir doch das Geld, das wir oben in unseren Säcken fanden, aus Kanaan wieder mitgebracht: wie sollten wir da aus dem Hause deines Gebieters Silber und Gold stehlen? 9Derjenige deiner Sklaven, bei dem er sich findet, der soll sterben, und wir anderen wollen dir leibeigen werden. 10Er antwortete: Gut! wie ihr sagt, soll es geschehen. Der, bei welchem er sich findet, soll mein Sklave werden; ihr aber sollt frei ausgehn. 11Da ließ ein jeder schnell seinen Sack auf den Boden herab und ein jeder öffnete seinen Sack. 12Er aber fing an zu suchen: bei dem Ältesten hob er an und bei dem Jüngsten hörte er auf - da fand sich der Becher im Sacke Benjamins. 13Da zerrissen sie ihre Kleider, beluden ein jeder seinen Esel und kehrten wieder in die Stadt zurück. 14Und als Juda mit seinen Brüdern in das Haus Josephs kam - dieser war gerade noch dort anwesend -, da warfen sie sich vor ihm nieder auf den Boden. 15Joseph aber sprach zu ihnen: Was habt ihr da angestellt! Bedachtet ihr denn nicht, daß ein Mann, wie ich, wahrsagen werde? 16Da antwortete Juda: Was sollen wir unserem Gebieter sagen? Was sollen wir reden und wie uns rechtfertigen, nachdem Gott die Schuld deiner Sklaven ausfindig gemacht hat! Wir gehören dir leibeigen, wir, sowie derjenige, in dessen Besitze sich der Becher gefunden hat. 17Er erwiderte: Ferne sei es von mir, so zu verfahren! Derjenige, in dessen Besitze sich der Becher gefunden hat, der soll mir leibeigen werden; ihr aber mögt unangefochten zu eurem Vater ziehn. 18Da trat Juda zu ihm heran und sprach: Bitte, mein Herr! Möchte doch dein Sklave ein freimütiges Wort an dich richten dürfen, ohne daß du darum deinem Sklaven zürnst - stehst du doch dem Pharao gleich! 19Mein Gebieter fragte seine Sklaven: Habt ihr euren Vater noch oder noch einen Bruder? 20Wir antworteten dir: Unser alter Vater lebt noch, und auch ein kleiner spätgeborener Sohn ist vorhanden. Sein leiblicher Bruder ist tot, und so ist er allein übrig von seiner Mutter und wurde der Liebling seines Vaters. 21Da befahlst du deinen Sklaven: Bringt ihn her zu mir, damit ich ihn mit Augen sehe! 22Wir erwiderten dir: Der Knabe kann seinen Vater nicht verlassen; denn würde er seinen Vater verlassen, so würde dieser sterben. 23Da sprachst du zu deinen Sklaven: Wenn ihr euren jüngsten Bruder nicht mitbringt, so dürft ihr mir nicht mehr unter die Augen kommen. 24Als wir nun zu deinem Sklaven, meinem Vater, zurückgekehrt waren, berichteten wir ihm dein Begehren. 25Als sodann unser Vater gebot: Zieht wieder hin, etwas Getreide für uns zu kaufen, 26da antworteten wir: Wir können unmöglich hinziehn! Wenn unser jüngster Bruder mit uns geht, so wollen wir hinziehn; denn wir dürfen ja dem Manne nicht mehr unter die Augen kommen, wenn unser jüngster Bruder nicht bei uns ist. 27Da antwortete uns dein Sklave, mein Vater: Ihr wißt ja selbst, daß mir mein Weib nur zwei Söhne geboren hat. 28Der eine ging fort von mir, und ich mußte mir sagen: Sicherlich ist er zerrissen worden! und bis heute habe ich ihn nicht wiedergesehen. 29Wenn ihr mir nun auch diesen noch wegnehmt, und ihm ein Unglück zustoßen sollte, so wäret ihr schuld daran, wenn ich mit meinem grauen Haar in schwerem Leid hinunter müßte in die Unterwelt! 30Und in der That, wenn ich jetzt zu deinem Sklaven, meinem Vater, käme, und der Knabe, an dem er doch mit ganzer Seele hängt, wäre nicht bei uns, 31so würde er, sobald er gewahr würde, daß der Knabe nicht mehr bei uns ist, sterben, und deine Sklaven wären schuld daran, wenn dein Sklave, unser Vater, mit seinem grauen Haar voller Jammer hinab müßte in die Unterwelt. 32Denn dein Sklave hat sich gegenüber meinem Vater für den Knaben verbürgt und gelobt: Wenn ich dir ihn nicht wiederbringe, so will ich mein Leben lang schuldig dastehen vor meinem Vater. 33Möchte somit dein Sklave an Stelle des Knaben zurückbleiben dürfen als Leibeigener meines Gebieters, der Knabe aber heimkehren dürfen mit seinen Brüdern. 34Denn wie könnte ich heimkehren zu meinem Vater, ohne daß der Knabe bei mir wäre! Ich könnte den Jammer nicht mit ansehen, der über meinen Vater kommen würde! Textbibel des Alten und Neuen Testaments, Emil Kautzsch, Karl Heinrich Weizäcker - 1899 Bible Hub |