Hiob 31
Textbibel 1899
1Strenge Vorschrift gab ich meinen Augen, und wie hätte ich auf eine Jungfrau lüstern blicken sollen!

2Was wäre da die Zuteilung von Gotte droben und das Verhängnis des Allmächtigen in Himmelshöhen?

3Ist es nicht Verderben für den Frevler und Unglück für die Übelthäter?

4Sieht er nicht meine Wege und zählt alle meine Schritte?

5Wenn ich mit Lüge umging, und mein Fuß dem Truge nachjagte, -

6es wäge mich Gott mit rechter Wage, daß er meine Unschuld erkenne! -

7wenn mein Schritt vom rechten Weg abwich, wenn mein Herz meinen Augen nachging, und an meinen Händen ein Makel klebte,

8so will ich säen und ein andrer möge essen, und meine Schößlinge mögen ausgerissen werden.

9Wenn sich mein Herz wegen eines Weibes bethören ließ, und ich an der Thüre meines Nächsten lauerte,

10so möge mein Weib einem anderen mahlen, und andere mögen sich über sie strecken.

11Denn eine Schandthat wäre das, ein Vergehen, vom Richter zu strafen,

12ja, ein Feuer, das bis zum Abgrund fräße und alle meine Habe entwurzeln müßte.

13Wenn ich das Recht meines Knechtes verachtete und das meiner Magd, wenn wir im Streite waren -

14was wollte ich auch thun, wenn Gott sich erhöbe, und wenn er untersuchte, was ihm erwidern?

15Hat nicht, der mich erschuf, im Mutterleib auch ihn geschaffen, und hat nicht Einer uns im Mutterschoß bereitet? -

16Wenn ich Geringen einen Wunsch versagte und die Augen der Witwe verschmachten ließ,

17wenn ich meinen Bissen allein verzehrte, und die Waise nicht ihr Teil davon genoß -

18nein, seit meiner Jugend wuchs sie mir auf wie einem Vater, von Mutterleib an leitete ich sie -

19wenn ich einen Verkommenden sah ohne Gewand und ohne Decke einen Armen,

20wenn seine Hüften mich nicht gesegnet haben, und er sich nicht erwärmte von meiner Lämmer Schur. -

21Wenn ich gegen eine Waise meine Faust geschwungen, weil ich im Thore Beistand für mich sah,

22so möge meine Achsel aus ihrer Schulter fallen, und mein Arm mir aus seiner Röhre gebrochen werden.

23Denn furchtbar war mir das von Gott verhängte Verderben, und ohnmächtig bin ich vor seiner Majestät.

24Wenn ich Gold zu meinem Hort gemacht und Feingold meinen Trost genannt habe,

25wenn ich mich freute, daß mein Schatz so groß, und daß meine Hand so viel erworben -

26Wenn ich das Sonnenlicht betrachtete, wie es strahlte, und den Mond, wie er so prächtig dahinwallte,

27und mein Herz sich insgeheim bethören ließ, und meine Hand sich zum Kuß an meinen Mund legte -

28auch das wäre ein Vergehen, vom Richter zu strafen, weil ich Gotte droben geheuchelt hätte -

29Wenn ich mich freute über das Unglück meines Feindes und frohlockte, wenn ihn Unheil traf, -

30aber nie habe ich meinem Munde gestattet, zu sündigen, indem ich ihm fluchend den Tod anwünschte -

31Wenn meine Hausgenossen nicht sagen mußten: "Wann wäre jemand von seinem Fleische nicht satt geworden!"

32Der Fremdling durfte nicht im Freien übernachten, meine Thüren öffnete ich dem Wanderer -

33Wenn ich, wie Menschen thun, meine Sünden verheimlichte, indem ich meine Schuld in meinem Busen verbarg,

34weil ich mich scheute vor der großen Menge, und die Verachtung der Geschlechter mich schreckte, so daß ich mich still verhielt, nicht aus der Thüre ging -

35O wäre doch, der mich anhören wollte! Hier meine Unterschrift - der Allmächtige antworte mir! Und hätte ich doch die Klageschrift, die mein Gegner schrieb!

36Fürwahr, ich wollte sie auf meine Schulter heben, als Diadem mir um die Schläfe winden;

37ich wollte ihm jeden meiner Schritte künden und wie ein Fürst ihm entgegen treten!

38Wenn über mich mein Acker schrie, und insgesamt seine Furchen weinten;

39wenn ich seinen Ertrag ohne Entgelt verzehrte und seinem Besitzer das Leben ausblies -

40so sollen statt Weizen Dornen aufgehen und statt der Gerste Unkraut.

Textbibel des Alten und Neuen Testaments, Emil Kautzsch, Karl Heinrich Weizäcker - 1899

Bible Hub
Job 30
Top of Page
Top of Page