Textbibel 1899 1Ich will von meinem Freunde singen, das Lied meines Liebsten von seinem Weinberg! Mein Freund besaß einen Weinberg auf fetter Bergeshöhe. 2Und er behackte ihn und entsteinte ihn und bepflanzte ihn mit Edelreben. Einen Turm baute er mitten in ihm und hieb auch eine Kufe in ihm aus und wartete, daß er Trauben brächte, aber er brachte Heerlinge. 3So richtet nun, ihr Bewohner Jerusalems und ihr Männer von Juda, zwischen mir und meinem Weinberge! 4Was gab es noch an meinem Weinberge zu thun, das ich nicht an ihm gethan hätte? Warum brachte er denn Heerlinge, während ich auf Trauben hoffte? 5So will ich euch nun verkünden, was ich mit meinem Weinberge thun werde: Wegreißen will ich seinen Zaun, daß er abgefressen werde! Durchbrechen will ich seine Mauer, daß er zertreten werde. 6Ich will eine Wüstenei aus ihm machen: Er soll nicht beschnitten, noch behackt werden, sondern in Dornen und Gestrüpp aufschießen; und den Wolken will ich verbieten, Regen auf ihn fallen zu lassen. 7Denn das Haus Israel ist der Weinberg Jahwes der Heerscharen, und die Männer von Juda sind seine liebliche Pflanzung. Und er wartete auf Recht - doch siehe da Blutvergießen, auf Gerechtigkeit - doch siehe da Jammergeschrei! 8Wehe denen, die Haus an Haus reihen, Feld an Feld rücken, bis kein Platz mehr bleibt, und es dahin gebracht ist, daß ihr allein im Lande wohnt. 9In meinen Ohren offenbart sich Jahwe der Heerscharen: Fürwahr! Viele Häuser sollen verwüstet werden, große und schöne menschenleer! 10Denn zehn Joch Weinland sollen ein Bath geben und ein Chomer Aussaat ein Epha. 11Wehe denen, die früh am Morgen dem Rauschtrank nachgehen, die in der Dämmerung verziehn, vom Wein erhitzt! - 12die Zither und Harfe, Pauke und Flöte und Wein zum Gelage vereinen, aber auf Jahwes Thun blicken sie nicht und das Werk seiner Hände sehen sie nicht! 13Deshalb wird mein Volk unversehens in die Verbannung wandern; seine Vornehmen werden Hungerleider sein und seine Prasser vor Durst verschmachten. 14Darum wird die Unterwelt ihren Rachen aufsperren und ihr Maul unermeßlich weit aufreißen, daß hinabfahren Jerusalems Pracht und Gewoge und Gebrause und wer daselbst fröhlich ist. 15Dann werden die Menschen gebeugt und die Männer gedemütigt, und die Augen der Stolzen gedemütigt werden, 16aber Jahwe der Heerscharen wird durch Gericht erhaben sein und der heilige Gott sich heilig erweisen durch Gerechtigkeit. 17Und Lämmer werden dort weiden, als ob es ihre Trift wäre, und Böcklein werden sich von den Trümmern der Fetten nähren. 18Wehe denen, die Verschuldung an Stricken des Unrechts herbeiziehn und Strafe wie mit Wagenseilen! 19Die da sprechen: Er beeile, beschleunige doch sein Werk, damit wir es erleben! Es nahe doch und trete ein, was der Heilige Israels plant, damit wir es kennen lernen! 20Wehe denen, die Böses gut nennen und Gutes böse, die Finsternis zu Licht machen und Licht zu Finsternis, die bitter zu süß machen und süß zu bitter. 21Wehe denen, die in ihren eigenen Augen weise sind und vor sich selber klug! 22Wehe denen, die Helden sind im Weintrinken und tapfer, Rauschtrank zu mischen, 23die für Bezahlung den Schuldigen frei sprechen und dem, der Recht hat, sein gutes Recht entziehen! 24Darum, wie die Zunge des Feuers Stoppeln frißt und dürre Halme in der Flamme zusammensinken, soll ihre Wurzel wie Moder werden, und ihre Blüte wie Staub auffliegen - weil sie die Weisung Jahwes der Heerscharen verworfen und das Wort des Heiligen Israels gelästert haben. 25Deshalb wird der Zorn Jahwes der Heerscharen gegen sein Volk entbrennen, und er wird seine Hand gegen dasselbe ausrecken und wird es schlagen, daß die Berge erbeben und seine Leichen wie Kehricht auf den Gassen liegen. Bei alle dem hat sich sein Zorn nicht gewandt, und blieb seine Hand noch ausgereckt. 26Und er wird ein Panier aufpflanzen für ein Volk in der Ferne und es vom Rande der Erde herbeilocken: Schon kommt es eilends, schnell heran! 27Kein Müder und kein Strauchelnder ist darunter; sie schlafen und schlummern nicht. Nicht löst sich der Gurt ihrer Lenden, nicht reißt ihnen ein Schuhriemen. 28Ihre Pfeile sind geschärft und alle ihre Bogen gespannt. Die Hufe ihrer Rosse gleichen Kieseln und ihre Räder dem Wirbelwind. 29Ihr Gebrüll ist wie das des Löwen; sie brüllen wie Jungleuen, knurren und packen den Raub und bergen ihn, und niemand vermag zu erretten. 30Und es wird an jenem Tag über ihm tosen wie Meerestosen; und blickt es zur Erde, so ist da nur angstvolle Finsternis, und das Licht hat sich verfinstert in ihren Wolken. Textbibel des Alten und Neuen Testaments, Emil Kautzsch, Karl Heinrich Weizäcker - 1899 Bible Hub |