Hiob 6
Textbibel 1899
1Hiob antwortete und sprach:

2O daß man meinen Unmut wöge und mein Leid dagegen auf die Wage legte!

3Denn nun ist's schwerer, als der Sand am Meer - drum gehen irre meine Worte!

4Denn des Allmächtigen Pfeile stecken in mir: mein Geist saugt ihr Gift ein, die Schrecknisse Gottes verstören mich!

5Schreit etwa der Wildesel auf grüner Weide, oder brüllt der Stier bei seinem Mengfutter?

6Kann man Fades ungesalzen genießen, oder hat das Eiweiß Wohlgeschmack?

7Mich widert's an, es anzurühren; es ekelt mich vor der Unreinigkeit meiner Speise.

8O daß doch mein Wunsch sich erfüllte, und Gott mein Verlangen gewährte!

9Gefiele es Gott, mich zu zermalmen, seine Hand zu entfesseln und meinen Lebensfaden abzuschneiden!

10So wäre doch das noch mein Trost und aufhüpfen wollte ich im schonungslosen Schmerz -, daß ich des Heiligen Worte nie verleugnet habe.

11Was ist denn meine Kraft, daß ich noch harren, und was mein Ende, daß ich mich gedulden sollte?

12Ist meine Kraft etwa Felsenkraft, oder ist mein Leib aus Erz?

13Bin ich nicht der Hilfe bar, und ist nicht aller Halt von mir genommen?

14Dem Verzagenden gebührt das Mitleid seines Nächsten, selbst wenn er von der Furcht vor dem Allmächtigen läßt.

15Meine Freunde haben sich treulos erzeigt wie ein Bach, wie die Rinnsale, die überschwellen,

16die trübe sind von Eis, in die herab der Schnee sich birgt.

17Wenn sie durchglüht werden, schwinden sie dahin: wenn's heiß wird, sind sie weggelöscht von ihrem Ort.

18Karawanen biegen ab von ihrer Straße, ziehen hinauf in die Öde und kommen um.

19Die Karawanen Themas schauten aus, die Reisezüge Sabas warteten auf sie:

20Sie wurden zu Schanden mit ihrem Vertrauen, kamen hin und wurden enttäuscht.

21So seid ihr nun für mich geworden: ihr schautet Schrecknis, - da scheutet ihr euch!

22Habe ich etwa gesagt: "Schafft mir her und von eurer Habe spendet für mich;

23errettet mich aus der Gewalt des Bedrängers und aus der Gewalt der Tyrannen kauft mich los"?

24Belehrt mich, so will ich schweigen, und worin ich geirrt habe, thut mir kund.

25Wie eindringlich sind der Wahrheit Worte! aber was beweist denn euer Verweis?

26Gedenkt ihr, Worte zu rügen? Die Reden des Verzweifelten verhallen im Wind!

27Selbst über meine Waise würdet ihr losen und euren eignen Freund verhandeln.

28Und nun - wollet doch mich anblicken, ich werde euch doch wahrlich nicht ins Angesicht lügen!

29O kehret um, laßt Unrecht nicht geschehen, ja, kehret um, noch hab' ich Recht hierin.

30Wohnt denn auf meiner Zunge Frevel, oder unterscheidet mein Gaumen nicht die Unglücksschläge?

Textbibel des Alten und Neuen Testaments, Emil Kautzsch, Karl Heinrich Weizäcker - 1899

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