Textbibel 1899 1Weh mir! Denn es ist mir ergangen wie bei der Obstlese, wie bei der Nachlese in der Weinernte: Keine Traube mehr zum Essen, keine Frühfeige, nach der mich's gelüstete! 2Die Frommen sind aus dem Lande geschwunden, Redliche giebt es nicht mehr unter den Menschen; sie alle liegen auf der Lauer nach Blutthaten, einer stellt dem andern mit dem Netze nach. 3Auf das Böse sind ihre Hände aus, es eifrig zu verrichten. Der Obere fordert, und der Richter richtet für Bezahlung, und der Große redet seines Herzens Gelüste frei heraus, und so flechten sie es zusammen. 4Der Beste von ihnen gleicht einem Stechdorn, der Rechtschaffene ist schlimmer als eine Hecke. Der Tag, dem die Worte deiner Späher galten, deine Heimsuchung zieht heran! Dann kommt ihre Bestürzung! 5Traut nicht mehr auf einen Freund! Verlaßt euch nicht mehr auf einen Vertrauten! Hüte die Pforten deines Mundes selbst vor der, die an deinem Busen liegt! 6Denn der Sohn verunehrt den Vater, die Tochter lehnt sich gegen ihre Mutter, die Schwiegertochter gegen ihre Schwiegermutter auf: Des Mannes Feinde sind die eigenen Hausgenossen! 7Ich aber will ausspähen nach Jahwe, will harren auf den Gott, der mein Heil! Mein Gott wird mich hören! 8Freue dich nur nicht über mich, meine Feindin! Denn bin ich gefallen, so stehe ich auch wieder auf; sitze ich in Finsternis, so ist doch Jahwe mein Licht! 9Den Unwillen Jahwes will ich tragen, weil ich mich an ihm versündigt habe, bis er sich meiner Sache annimmt und mir Recht schafft. Er wird mich zum Lichte führen; ich werde mich erquicken an seiner Gerechtigkeit. 10Meine Feindin soll es sehen und mit Schande bedeckt werden, sie, die jetzt zu mir spricht: Wo ist nun Jahwe, dein Gott? Meine Augen werden ihre Lust an ihr sehen; dann wird sie wie Straßenkot zertreten werden. 11Es kommt ein Tag, da man deine Mauern wiederherstellt; jenes Tags werden deine Grenzen weit hinausrücken. 12Jenes Tags wird man zu dir kommen von Assyrien bis Ägypten und von Ägypten bis an den Euphratstrom, von Meer zu Meer und von Berg zu Berg. 13Die Erde aber wird wegen ihrer Bewohner zur Wüste werden um der Früchte ihres Thuns willen. 14Weide dein Volk mit deinem Stab als die Schafe, die dein Eigentum sind, die mitten im Fruchtgefilde einsam die Wildnis bewohnen. Mögen sie in Basan und Gilead weiden, wie in den Tagen der Vorzeit. 15Wie damals, als du aus Ägypten zogst, gieb ihm Wunder zu schauen! 16Das sollen die Heiden sehen und zu Schanden werden mit all' ihrer Macht; sie müssen die Hand auf den Mund legen, ihre Ohren sollen taub werden. 17Sie sollen Staub lecken wie die Schlangen, wie die, die am Boden kriechen; zitternd sollen sie aus ihren Schlupfwinkeln hervorkommen, angstvoll auf Jahwe, unseren Gott, blicken und sich vor dir fürchten! 18Wer ist ein Gott wie du, der dem Überreste seines Erbteils seine Sünde vergiebt und seinen Abfall übersieht, der nicht für immer im Zorne verharrt, sondern sich freut, Gnade zu üben? 19Er wird sich unserer wieder erbarmen, wird unsere Verschuldungen niederschlagen. Ja, du wirst alle unsere Sünden werfen in die Tiefen des Meers! 20Du wirst an Jakob die Treue erweisen, an Abraham die Gnade, die du unseren Vätern zugeschworen hast von längst vergangenen Tagen her. Textbibel des Alten und Neuen Testaments, Emil Kautzsch, Karl Heinrich Weizäcker - 1899 Bible Hub |